Die Zukunft gehört den Handwerkern
Seit Jahren kämpft die technische Industrie mit einem Fachkräftemangel. Automatisierung, modernes Employer Branding und Bemühungen zur Nachwuchsförderung können helfen, das Problem aber nicht vollständig lösen. Doch der Doyen der Branche bleibt optimistisch.
Der Blick auf die aktuellen Zahlen bestätigt Thomkes Bestandesaufnahme. Gemäss dem Schweizer Jobradar waren in der Schweiz im ersten Quartal 2025 2421 Polymechaniker-Stellen unbesetzt. Zudem wurden 2235 Service-Technikerinnen, 2205 Automatikfachpersonen, 1838 Mechaniker und 1726 Maschinenbedienerinnen gesucht. Angeführt wird diese Liste von Pflegefachpersonen (6450), Elektromonteuren (6203) und Schreinerinnen (3555).
Der zunehmende Mangel an handwerklichen Fachkräften sorgt auch bei Eva Jaisli, Verwaltungsratspräsidentin und Mitinhaberin von PB Swiss Tools, für Sorgenfalten. Und das schon seit Jahren. Hauptverantwortlich dafür sei der demografische Wandel mit der Pensionierung geburtenstarker Jahrgänge und dem Mangel an Nachwuchs. Der Hersteller von Werkzeugen und medizinischen Instrumenten im Emmental im Kanton Bern bietet Ausbildungen in acht Berufen an. Insbesondere für die Berufslehren zum Produktionsmechaniker und zur Polymechanikerin fänden sich immer weniger Interessenten, betont Jaisli. Vor allem Letztere seien hoch spezialisierte Know-how-Träger, die man nicht einfach so im Ausland rekrutieren könne. «Wir sind darauf angewiesen, unsere eigenen Fachkräfte auszubilden.»
Das bestätigt Enzo Armellino, Geschäftsführer von Swissmechanic Solothurn, dem «agilen Verband der KMU-MEM-Industrie». Ohnehin habe sich das handwerkliche Arbeitsumfeld grundlegend geändert. «An die Stelle von teilweise schmutzigen, dunklen Werkstätten treten heute helle Hallen mit modernen Maschinen. Lernende sind die Fachkräfte von morgen, es wird heute viel mehr Wert auf eine gute Ausbildung gelegt.» Natürlich automatisierten Unternehmen ihre Prozesse, um Personal einzusparen und wettbewerbsfähig zu bleiben, ergänzt Armellino. Aber auch für das Programmieren, das Einrichten und Bedienen der Maschinen und Anlagen brauche es hoch qualifizierte Arbeitskräfte wie etwa Polymechaniker. «Es ist deshalb wichtig, dass sich viele junge Leute für eine Berufslehre entscheiden. So arbeiten sie später an den Maschinen und generieren konkrete Wertschöpfung.»
Swissmechanic Solothurn bietet Überbetriebliche Kurse (ÜK) und Grundbildungen etwa für angehende Polymechanikerinnen, Produktionsmechaniker und Konstrukteurinnen sowie Weiterbildungen für Erwachsene an. Im Sommer 2025 zog der Verband mit seinen Bil-dungsangeboten in den neu erstellten Campus Technik in Grenchen. Modernste Maschinen und innovative Infrastruktur heben dort zusammen mit zeitgemässen didaktischen Methoden die Aus- und Weiterbildungen auf ein neues, praxisorientiertes Niveau.
Zudem wird im Campus eigens eine Werkstatt für das Programm «focusMINT» eingerichtet. Dort werden Schülerinnen und Schüler ab dem Vorschulalter stufengerecht an die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) herangeführt und für die entsprechenden Berufe begeistert. «Wir müssen Kinder und Jugendliche möglichst früh für unsere Branche gewinnen. Gerade bei Mädchen schlummert diesbezüglich noch viel ungenutztes Potenzial», ist Armellino überzeugt. Auch Start-up-Unterneh-men und die Höhere Fachschule Technik Mittelland (hftm) als Ent-wicklungspartnerin für die Wirtschaft werden in den Campus einziehen. «Der Campus vereint die gesamte Bildungs-Wertschöpfungskette und damit das lebenslange Lernen unter einem Dach und ist deshalb ein Leuchtturmprojekt der dualen Bildung.»
Tiefe Fluktuation
Ernst Thomke ist ein grosser Förderer des Campus Technik. Er hat den Bau finanziert und stellt die Räumlichkeiten zu attraktiven Konditionen zur Verfügung. Auch angesichts solcher Angebote bleibt er optimistisch. «Handwerkerinnen und Handwerker werden zwar von KI unterstützt, aber nicht wie viele andere Berufsgruppen von ihr verdrängt. Überspitzt formuliert: Die Zukunft gehört Handwerkern sowie hoch qualifizierten Mathematikerinnen und Ingenieuren und nicht Bankern, Juristinnen, kaufmännischen Angestellten oder Buchhaltern.»
Fotos Im Campus Technik in Grenchen gibt es eigens eine Werkstatt für das Programm «focusMINT». Dort sollen sich Kinder, Jugendliche und vor allem auch Mädchen möglichst früh für die technische Branche begeistern. (Swissmem, Enzo Armellino, Alexandra Schürch